Freitag, April 28, 2006

traumromantik

"wenn sich der kerl aus The Sixth Sense umdreht und den Jungen und den Arzt ansieht, dann fehlt ihm das halbe hirn. siehst du, S. und genau so hast du meine Welt verlassen. Und darum kann ich dich nicht wiedersehn."

Irgendwie sowas könnte ich ihr sagen, wenn sie mich mal wieder anrufen würde, aber eventuell denkt sie, dass sie mich besser nicht anruft, da es mir so schon nich gut geht.
Aber eigentlich - so denke ich - ruft sie nur nich an, weil sie schon so oft angerufen hat.
Dieses falsche Trachten nach Gerechtigkeit.

Ich bin heute mit B. drei Stunden spazieren gegangen. Natürlich wird jetzt jemand sagen - halt, das warn nur 1,5h aber es kam mir halt so vor.
Zum Abschluss saßen wir an unserem See.
Ein paar Stunden zuvor hatten wir festgestellt, das unser beider Leben absolut durch diesen See geprägt wurde. Denn alles was mit unserem Leben geschehen ist - oder zumindest vieles - nahm seinen Ursprung an einem Abend vor 3 oder 2 Jahren.
Es ist die Geschichte der 6. Aber ich denke ich werde sie nicht hier und jetzt erzählen.

Jedenfalls haben wir während des Wanderns eine sehr komische Sache diskutiert.
Ich erzählte von einer Situation, in der jemand mal zu mir gesagt hat "Ich liebe dich". Danach meinte ich, dass das ja nicht wahr sei und sie erwiderte, dass ich schon wüsste, wie sie das meinte. Ich erklärte B. dass das eher im freundschaftlichen Sinne zu sehen sei. Denn Freundschaft ist ja genaugenommen nichts anderes als Liebe. Nur eben eine andere Ausdrucksform.
Daraufhin fragte er mich, warum ich denn nicht mit ihr einfach eine Beziehung anfange, wenn wir uns denn so gut verstünden.
Und hier liegt das Problem.
Sollte man eine Beziehung eingehen, die von vornherein nicht auf wahrer Liebe basiert, sondern eben auf bloßem Verstehen und auf Freundschaft?
Er meinte, solange es schön ist - dann genießt doch die Zeit.
Es eröffnen sich da zwei Fragen.

1. Wenn ich mit einer Person eine solche Beziehung eingehen würde, dann hieße das doch auch, dass ich zu jeder weiteren Person, eine ähnliche Beziehung führen sollte oder müsste.
Ist das nicht zu abstrus?

2. Wäre denn nicht der Schmerz der von vornherein gegebenen Trennung größer als die Momente des Glückes, die Momente der Nähe und Wärme?
Und kommt dann nicht unterm Strich eine Verlustsrechnung heraus?
ist eine solche Beziehung überhaupt führbar?
Ist es dem einzelnen nicht zu wieder sich so etwas vorzustellen?

Ich denke, dass es nicht der richtige Weg ist.
Zumindest nicht auf der geschlechtlichen Basis. Denn das kommt mir dann eher wie ein one-night-stand vor und so was ist mir persönlich zu wieder.
Aber eine Beziehung die auf bloßem Kontakt (außer siehe oben) besteht ?
Ist es nicht das, was ich mir bzgl. meines Schwestersyndroms wünsche?
Ist nicht die Beziehung, die ich zu ihr aufgebaut habe, oder mir vorstelle zu haben , bzw. mir wünsche eben jene Vertrautheit mit der Nähe, die ich von ihr implizit erwarte und die ich ihr implizit anbiete?
Ich denke schon.
Sowieso ist dieses Syndrom ein verwirrendes Konstrukt.
Einerseits bezeichnen wir uns beide als Bruder und Schwester, obgleich wir wissen, dass wir dies nicht sind, aber andererseits sehen wir uns zu selten und die Distanz zwischen uns scheint riesig.
Hier greift wieder mein Romantikerdasein.
Ich will diese Distanz verringern.
In meiner eigenen Welt - in meinem Kopf stehen wir Rücken an Rücken und lehnen unsere Köpfe uns gegenseitig auf die Schultern.
Aber in Wirklichkeit ist der einzige Kontakt zu ihr nebst dem verbalen immer nur die Verabschiedung oder die Begrüßung.
Was ich mir oft wünsche, ist, dass sie mich in die Arme nimmt, oder ich diesen Anspruch an sie jederzeit offen stellen kann.
Aber stets habe ich das Gefühl sie zu sehr zu bedrängen - ihr zu nah zu kommen. Darum wage ich es nicht dieses Bedürfnis auszusprechen. Andererseits frage ich mich, was den schon dabei sei?
Ist es zu indiskret irgend jemanden und sei es B. einfach so in die Arme zu nehmen und das auch mal für eine längere Zeit? Ich persönlich denke, dass es nicht so ist und dass wenn es gesellschaftlich jedoch bejaht wird, diese Gesellschaft zu prüde ist.
Ich will sie nicht Küssen und nicht mit ihr Schlafen oder sonst was. Alles was ich will ist spüren, dass jemand - das sie - da ist, das ich mich auf sie verlassen kann, dass ich mich in schweren Zeiten an sie wenden kann und Schutz finde.
Nur ich habe den Anschein, dass all diese Ansichten zu extrem sind in den Augen meiner Umwelt.
Aber es stimmt wenn ich sage, dass ich das nicht wahrlich objektiv festlegen kann, ob es denn zuviel ist.
Habe ich einen krankhaft starken Bedarf an Zuwendung?
Ich kann es nicht einschätzen und dass macht mich verrückt.
Denn das Beste wäre mit ihr darüber zu reden und ihr zu sagen, dass ich sie brauche und nicht nur ihre Stimme am Telefon oder ihr Gesicht, wenn wir uns mal sehen.
Aber warum frage ich sie nicht?
Warum stell ich nicht diese Forderung?
Warum sage ich nicht "du - kannst du mich mal festhalten?"?
Ich denke es ist die Angst davor, dass diese Stütze, die ich mir in meiner Vorstellung kreiert habe nicht existieren könnte.
Oder auch, dass dieses Bedürfnis falsch angesehen wird. Also nicht als vertrautes Festhalten und Schutzgeben, sondern als ein Zeichen der Zuneigung und der Liebe, besser der Verliebtheit in diese Person.
Nun nichts desto trotz schweige ich, oder rede nicht mit ihr über das, was sich zwischen uns stellt. Es bleibt dabei, das sie einfach keine Zeit für mich den verkappten Psycho, den Depressiven hat oder haben will. Oder sie nicht weiß, wie sie ihrem Bruder beistehen soll. Dabei beschreibt das Wort Beistand doch schon alles.
Bei-Stand. Jemandem beistehen, das bedeutet neben, vor oder hinter jemanden Stehen und bei ihm zu sein und ihm das auch zeigen. Also mit einer körperlichen Geste.
Es gibt so viele Situationen, in denen ich deutlich spüre, das bloßes Reden und ansehen nicht reicht.

Ich habe im letzten Blog beschrieben warum ich auf dem Boden schlafe. Es ist die Einfachheit das Ersatzbett herzurichten.
Es ist aber auch ein anderer Grund.
Ich kann nicht in meinem Bett schlafen. oder vielmehr will ich es nicht, da mir dann stets die kalte Einsamkeit bewusst wird. Es ist ja niemand da.
Ich weiß nicht, warum mir das so verdammt wichtig ist, aber ich denke wehmütig an jene Nächte zurück, in denen ich hände- oder fingerhaltend eingeschlafen bin. Es fehlt mir einfach. Es fehlt mir generell der Bezug zu jemanden.
Es wäre so naheliegend zu behaupten, dass all jene Bedürfnisse, die durch S. gedeckt (befriedigt hat so einen doofen Nebengeschmack) wurden, jetzt nach Erfüllung schreien. Aber das ist es nicht! Nein. es ist das stetige Gefühl allein zu sein - denke ich. Es ist die Angst am Ende doch allein dazustehen und niemanden zu haben. Oder einsam einschlafen zu müssen und morgens einsam aufstehen zu müssen.
Dabei scheint jedoch sich durch die Unartikulierbarkeit eine Art sekundärer Krankheitsgewinn einzustellen.

Ich behaupte gerne, dass die einzige Person, die mich wirklich kennt meine Schwester ist. Diese Behauptung ist brutal falsch, denn eigentlich weiß sie auch nicht alles und ich denke nur einen Bruchteil über mich. Nur der Unterschied zu anderen Personen ist der, das ich will, dass sie mich gänzlich kennt.

Ich weiß nicht ob ich es schon einmal sagte, aber ein Psychoanalytiker hätte wohl die reinste Freude an mir...

Jedenfalls entsteht aus dieser Erwartung eine Art Paralleluniversum, in dem ich lebe. Darin lebt neben mir nur diese eine Person, die mich gänzlich versteht, die ich gänzlich an mich heranlassen will. Und so lieb und wohltuend es auch ist, wenn mir jemand sagt, wie sehr er mich mag, es gelingt ihm nicht bis in diese Ebene vorzudringen. Sie ist das innnerste von mir und dort lasse ich scheinbar festgelegtermaßen niemanden hinein.

Nicht mal S. und auch nicht B. .

Und ich will nicht dass irgendwer sonst mich gänzlich versteht. Ich denke es liegt daran, das ich diesem Irgendwem nicht so vertrauen kann wie meiner Schwester.

Nur ist den meine Schwester überhaupt bereit und willig diese Rolle anzunehmen?

Oder ist es eben wieder nur ein Konstrukt meiner ideellen Welt?

Wenn ja, wem soll ich mich dann übergeben?

Ja es ist in mir so viel scheiße, mit der ich nicht klar komme und jede Scheinbare Ordnung, die in meinen Bloggs oder Gedichten oder Texten allgemein zu finden ist, ist nur die Spitze eines Eisberges, der in meiner Vorstellung, in meiner Seele mehr der Fels auf meinem Herzen ist.

Nur übergeben, nein das kann ich nicht, denn dazu benötigt es ein so närrisches Vertrauen. Täte ich es einfach so, so liefe ich Gefahr ins offene Messer zu laufen. Ich will damit keines Falls die Beziehung zu anderen Menschen herabsetzen. Die Beziehung zu F. oder F. (diese lustige Alliteration konnte ich mir nicht verkneifen) ist für mich ja dennoch so sehr wichtig und missen will ich jene auf keinen Fall. Nur sind es in meinem Empfinden nur Zahnstocher, die den schiefen Turm von Pisa stützen sollen.

Nun denn – was ist nun, wenn diese Erwartungen von ihr, meiner ideellen Schwester nicht erfüllt werden? Oder andersgefragt, wie prüfe ich, ob diese Anforderungen von ihr akzeptiert werden?

Es ist das Problem des eigentlichen Verklemmt seins. Ich kann nicht, so scheint es mir – mit ihr offen reden. Das selbe Phänomen gibt es bei mir eben auch in jeder Beziehung. Ich rede nicht oder kann nicht reden. Ich kann meine Gedanken eben nicht artikulieren.

Aber es wäre so einfach diesen Text zu drucken und ihn meiner Schwester zu geben. Warum tue ich das nicht?

Evtl. weil ich angst habe, dass sie sich überfordert fühlt?

Oder bin ich im Endeffekt doch nur ein romantischer Träumer, der zu viel träumt und immerzu versucht Traum und Realität zu vereinen?

Wer weiß?

Gute Nacht --- Johan

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